Präsident Andrzej Duda auf der Münchner Sicherheitskonferenz

Andrzej Duda äußerte am Samstag die Einschätzung, Russland versuche, die Ordnung in Europa zu untergraben, wenn es von einer Rückkehr zum Kalten Krieg spreche. Der Präsident möchte in Ostmitteleuropa eine permanente militärische Infrastruktur der NATO sehen, und eine Rotationspräsenz von Kräften des Bündnisses bedeute in der Praxis eine ständige Präsenz.
 

Präsident Duda hat an der 52. Münchner Sicherheitskonferenz teilgenommen. Er wurde von Journalisten zu der Äußerung des russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew befragt, der in seiner Rede gesagt hatte, der Westen trage die Verantwortung für den neuen Kalten Krieg zwischen seinem Land und dem Westen.

 

Der polnische Präsident ist der Ansicht, dass in Anbetracht der jüngsten militärischen Aktivitäten offensiver Natur Russlands, die zweifellos den Charakter imperialen Handelns trügen, Russland, wenn es von einer Rückkehr zum Kalten Krieg spreche, über seinen eigenen Aktivitäten spreche. In diesem Zusammenhang nannte er: die Beteiligung russischer Kräfte am Krieg in Syrien und die Aggression in der Ukraine, die „geradezu provokativen militärischen Manöver“ an den NATO-Grenzen, die Aufrüstung der Truppen im Gebiet Kaliningrad und die Aufstellung neuer Raketen dort.

 

„Russland spricht davon, zur Rhetorik des Kalten Krieges, zum Kalten Krieg zurückzukehren, was heißt, dass es versucht, die Ordnung, die sich in Europa herausgebildet hat, zu untergraben“, fügte er hinzu. „Genau dagegen sollte die gesamte Weltgemeinschaft, vor allem im Hinblick auf die Verletzung des Völkerrechts, entschieden ‚Nein’ sagen“, betonte Präsident Duda. Er fügte hinzu, dass die EU und die NATO dem mit einer angemessenen Reaktion begegnen sollten. Das sei eine Frage von Sanktionen und einer entschlossenen Politik.

 

Der Präsident betonte, dass mit Russland ein Dialog geführt werden solle, dies müsse aber ein konstruktiver, partnerschaftlicher Dialog sein. Ferner meinte er, dass nur die tatsächliche Präsenz von Streitkräften der Nordatlantischen Allianz eine wirksame Abschreckungspolitik sicherstellen könne, die weitere imperiale Aktivitäten vonseiten Russlands verhindere.

 

Er wies darauf hin, dass der NATO-Gipfel im Juli in Warschau entschlossen, umfassend und zukunftsweisend sein müsse. „Für mich bedeutet das eine Erhöhung der Präsenz von NATO-Kräften in der Region Ostmitteleuropas und Polens“, sagte der Präsident.

 

„Ich sähe hier gern eine permanente militärische Infrastruktur der Nordatlantikallianz, aber auch eine ständige Präsenz von NATO-Streitkräften - und dass diesbezüglich Entscheidungen getroffen werden“, sagte Präsident Duda. Er betonte, dass diese Präsenz nicht auf ständigen Stützpunkten beruhen müsse, auf denen sich ständig, permanent Militäreinheiten aufhielten. „Es kann sich um eine Präsenz mit rotierendem Charakter handeln, aber diese Rotation muss so intensiv sein, dass sie in der Praxis Konstanz bedeutet. Die Soldaten rotieren, aber eine konstante, erhebliche Zahl von Soldaten des Bündnisses befinden sich die ganze Zeit auf unserem Gebiet, um die Sicherheit zu gewährleisten“, sagte der Präsident.

 

Gefragt nach einer eventuellen Beteiligung Polens an den Militäroperationen im Süden Europas im Zusammenhang mit der Bedrohung durch den Terrorismus, erwiderte er: „Ich bin weit entfernt von irgendeiner Entscheidung, irgendwohin polnische Soldaten zu entsenden. Vergessen wir dagegen nicht, dass wir ein Mitglied der Nordatlantikallianz sind. Wenn wir möchten, dass man uns in der NATO ernst nimmt und unsere Erwartungen an das Bündnis respektiert, dann müssen wir verstehen, dass die anderen Mitgliedstaaten des Bündnisses auch ihre Befürchtungen und Interessen in anderen Teilen Europas oder der Welt haben.“

 

Der Präsident betonte, dass es verschiedene Formen der Unterstützung der  NATO gebe. – „Herr Verteidigungsminister Antoni Macierewicz hat seinerzeit davon gesprochen, dass wir eine kleine Anzahl unserer F-16 Jagdflugzeuge zur Unterstützung von Beobachtungsmissionen in der Region des Syrienkonflikts dorthin entsenden könnten“, sagte er.

 

Er machte deutlich, über Fragen im Zusammenhang mit der Stärkung der Ost- und Südflanke auf dem NATO-Gipfel im Juli diskutieren zu wollen: „Welche Beschlüsse hierzu gefasst werden, ist eine offene Frage, und ich werde hier absolut nicht vorgreifen“, betonte er.

 

Auf die Frage nach der Aussage des Verteidigungsministers zu einer polnischen Beteiligung an der Koalition gegen die Dschihad-Organisation Islamischer Staat (IS), entgegnete Andrzej Duda: „Vielleicht werden bestimmte Äußerungen überinterpretiert. Heute gibt es absolut keine derartigen Beschlüsse. Dies sind offene Fragen, über die wie auf dem Forum der Nordatlantikallianz diskutieren werden.“

 

Der Präsident unterstrich, dass Polen ein gutes Verhältnis zu seinen Nachbarn haben möchte, aber es müsse auf partnerschaftlichen Beziehungen basieren. Er wies auch darauf hin, dass z.B. der Bau der Pipeline Nord Stream-2 ein Problem sein. „Ich hoffe, dass die Europäische Kommission in dieser Frage entschlossene Maßnahmen ergreift, genauer gesagt, dass sie hier eine negative Lösung beschließt“, sagte Präsident Duda.

 

Er teilte mit, dass er während der Münchner Konferenz zwei bilaterale Treffen absolviert habe: Mit dem Präsidenten der Ukraine Petro Poroschenko habe er über die Lage in dessen Land und mit Frankreichs Premier Manuel Valls über den Syrienkrieg, Waffenkäufe und die Realisierung vorteilhafter Wirtschaftsprojekte gesprochen.

 

Der Präsident kündigte ein Treffen mit den Ministerpräsidenten von Montenegro und dem Libanon an. „In Richtung Montenegro gibt es eine eindeutige Erklärung von meiner Seite als Vertreter der Gastgeber des NATO-Gipfels bezüglich der Einladung von Montenegro in das Bündnis“, machte er deutlich. Mit dem Premierminister des Libanon dagegen solle u. a. die Flüchtlingsfrage diskutiert werden.

 

„Es besteht ein grundsätzlicher Konsens zwischen den Staaten, dass die ersten Maßnahmen, die entschlossen getroffen werden müssen, eine Abdichtung der EU-Außengrenzen und eine Unterstützung für die Staaten sind, in denen sich Flüchtlingslager befinden“, sagte Andrzej Duda. Seiner Meinung nach herrsche Skepsis gegenüber einer Umsiedlungsquote für Flüchtlinge.

 

Dem Präsidenten zufolge liege der Schlüssel zur Lösung des Problems der Migrationswelle außerhalb von Europa. „Meiner persönlichen Überzeugung nach sollte es hier ein vermehrtes Interesse der Vereinten Nationen geben, das Problem des Konflikts in Syrien zu lösen“, fügte er hinzu.

 

Präsident Duda kündigte an, in nächster Zeit die konstituierende Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates einzuberufen. „Der Rat wird mehr oder weniger das gleiche Konzept haben wie bisher: dass alle politischen Kräfte in ihm vertreten sind, dass er also einen pluralistischen Charakter hat“, sagte er.

 

 

 

Kanzlei des Präsidenten der Republik Polen

 

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