Der Besuch des Ministers fügt sich in die Feiern zum 25-jährigen Bestehen des Weimarer Dreiecks ein, dem Frankreich, Deutschland und Polen angehören. Die Teilnahme der Chefdiplomaten dieser drei Länder an der Botschafterkonferenz, die unter dem Motto „Verantwortung, Interessen, Instrumente“ stattfindet, sollte die Bedeutung der trilateralen Zusammenarbeit unterstreichen.
Minister Waszczykowski betonte in seiner Rede, dass die Etablierung des Weimarer Formats eine Etappe auf dem Weg zur Zurückgewinnung der Subjekthaftigkeit Polens in der Außenpolitik gewesen sei. „Drei Länder, die durch die jüngste Geschichte stark gespalten und geprüft wurden, setzten sich an einen Tisch, um einen Dialog über europäische Angelegenheiten zu beginnen“, sagte er.
„Heute sind wir erneut gespalten, zwar nicht so tief wie vor 25 Jahren, aber das Beispiel des Brexit zeigt, dass missachtete Risse sich zu wahren Abgründen auswachsen können“, hob Minister Waszczykowski hervor.
In diesem Zusammenhang verwies er auf die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die nach seinem Befinden nicht mehr die Rolle eines glaubwürdigen Fundaments der europäischen Sicherheitsarchitektur spielt. Die OSZE, so der Minister, sei auf die Prinzipien der Achtung der Grenzen und der territorialen Integrität sowie den Verzicht auf Krieg als Mittel der Politik gegründet. Minister Waszczykowski betonte, er sehe eine Herausforderung für Warschau und Berlin darin, in Europa den Glauben an diese Grundsätze wiederherzustellen.
„Im Jahr 2014 kehrten Krieg und territoriale Aggression zum ersten Mal in diesem Umfang seit 1945 in die europäische Politik zurück”, unterstrich der polnische Chefdiplomat.
Er ging auch auf den NATO-Gipfel im Juli in Warschau ein: „Die Einrichtung einer ständigen rotierenden Präsenz von Bündnistruppen auf dem Gebiet Polens und der baltischen Staaten bestätigt, dass die NATO nicht nur ein Schönwetterbündnis ist“, sagte der Außenminister.
Er betonte jedoch, dass eine effiziente Implementierung der Gipfelbeschlüsse erforderlich sei. „Das Engagement bei der Umsetzung der Beschlüsse des NATO-Gipfels in Warschau wird ein Test der Solidarität, insbesondere für die europäischen NATO-Bündnispartner, aber auch des Verständnisses sein, dass Glaubwürdigkeit bei der Verteidigung von Prinzipien Glaubwürdigkeit in der Verteidigungspolitik erfordert“, sagte der Chef des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) am Montag während der deutschen Botschafterkonferenz in Berlin.
Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen kann ihm zufolge Europa Nutzen bringen. Diese Zusammenarbeit solle sich auch auf die Europäische Union erstrecken, und die gemeinsame Verantwortung erfordere eine nüchterne Herangehensweise in der Frage der Migrationspolitik.
„Polen ist seit Jahren für den Schutz der EU-Ostgrenze verantwortlich“, erklärte er. „Trotz mehrerer Migrationswellen aus dem Kaukasus und dem ständigen Migrationsdruck aus der Ukraine haben wir aus Respekt vor der festgelegten Verteilung der Kompetenzen nie um eine zusätzliche Unterstützung aus Brüssel in dieser Angelegenheit ersucht. 2015 haben wir erfahren, dass in Bezug auf bestimmte Grenzabschnitte der EU andere Grundsätze gelten sollen. Wir entdeckten mit Verwunderung, dass in der europäischen Migrationspolitik seitdem doppelte Standards gelten“, unterstrich Minister Waszczykowski.
In seiner Einschätzung hat die Europäische Kommission angesichts der Migrationskrise „eine Reihe übereilter, unverantwortlicher und unüberlegter Schritte“ unternommen, die „das Migrationsproblem nicht nur nicht lösen, sondern vielmehr neue schaffen, z.B. auf dem Gebiet der inneren Sicherheit“.
„Der Schlüssel zur Lösung der Migrationskrise liegt nicht in Europa, sondern im Nahen Osten, in Asien und in Afrika”, sagte er. Ihm zufolge wäre eine Aktivität der EU im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der humanitären und Entwicklungshilfe weitaus effektiver. „Die Verantwortung verlangt von uns auch, eine harte Migrationspolitik durch den strikten Schutz unserer Außengrenzen zu betreiben“, betonte er.
Bei der Eröffnung der Botschafterkonferenz hob der deutsche Chefdiplomat Frank-Walter Steinmeier mit Blick auf Deutschland, Frankreich und Polen hervor, es sei „unsere Verantwortung und unsere Chance, Europa in diesen unruhigen Zeiten erneut Orientierung zu geben“.
Der deutsche Politiker warnte vor den „Fliehkräften”, die die europäische Gemeinschaft bedrohten. „Wir erleben den Aufwind alter Nationalismen, die unseren Zusammenhalt testen. Eine Politik des Ressentiments und der Angst wird hier und da wieder populär“, sagte Steinmeier und fügte hinzu, dass politische Bewegungen zu Wort kämen, die „die Sorgen der Bevölkerung für enge, eigennützige, andere ausgrenzende Zwecke“ instrumentalisierten.
Steinmeier bekräftigte die Bereitschaft Berlins, mehr Verantwortung für globale Probleme zu übernehmen, auch wenn er sich ausbedang, dass Deutschland sich nicht aktiv um eine derartige Rolle bemüht. Er sprach sich auch dafür aus, einen Weg zu finden, um aus der Konfrontation mit Russland herauszukommen.
Auf die Bedeutung Russlands wies auch Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault hin. „Russland ist ein großes Land, dass eine große Rolle spielen möchte“, sagte er in seiner auf Deutsch gehaltenen Rede. Der französische Chefdiplomat lobte die „symbolische Aussagekraft“ des NATO-Gipfels in Warschau, der „die Stärke, Entschlossenheit und Solidarität“ des Bündnisses unter Beweis gestellt habe. Seiner Ansicht nach wird der Brexit zur Folge haben, dass die EU an „Klarheit, Realismus und Unentbehrlichkeit gewinnen“.
Minister Waszczykowski führte am Montag in Berlin auch trilaterale Gespräche mit Steinmeier und Ayrault. Der polnische Chefdiplomat hält sich zu einem zweitägigen Besuch in Deutschland auf. Am Sonntag nahm er an den Feiern zum 25-jährigen Bestehen des Weimarer Dreiecks teil. Von Berlin reist er nach Budapest, wo er mit den Chefdiplomaten der Visegrád-Gruppe – Tschechiens, der Slowakei und Ungarns - zusammentreffen wird. Außerdem wird Minister Waszczykowski an einer Diskussion im Rahmen der ungarischen Diplomatenkonferenz teilnehmen.