Der Abteilungsleiter im Auswärtigen Amt Rüdiger von Fritsch, 55, über seine Vergangenheit als Fluchthelfer

SPIEGEL: In Ihrem Buch "Die Sache mit Tom" beschreiben Sie, mit welchen Tricks Sie 1974 Ihrem Cousin und zwei Freunden halfen, aus der DDR zu fliehen. Wie schwer war es, einen Reisepass zu fälschen?

 

Fritsch: Ich habe damals lange geübt, bis ich die richtigen Materialien und Werkzeuge wie Modellbaumesser oder Radiergummis gefunden hatte. Insgesamt hat die Vorbereitungszeit neun Monate gedauert, aber es hat sich gelohnt: Am Ende schaffte ich einen westdeutschen Reisepass in etwa acht Stunden, inklusive Foto, Stempeln und Visa.

 

SPIEGEL: Haben Sie auch fremde Hilfe in Anspruch genommen?

Fritsch: Möglichst wenig, die Sache war ja geheim. Einen entscheidenden Tipp habe ich vom Bundesnachrichtendienst bekommen, ein Bekannter meines Vaters arbeitete damals in Pullach. Er riet uns, Pässe noch einmal unter ultraviolettes Licht zu halten. Da sahen wir, dass die Bulgaren fluoreszierende Farben für ihre Visastempel benutzten. Wir mussten dann noch mal heftig nacharbeiten, aber ohne den Tipp wären wir im Transitland aufgeflogen. Die sind gut beim BND.

 

SPIEGEL: Später, 2004, wurden Sie Vizepräsident des BND. Hatten Sie je ein schlechtes Gewissen?

Fritsch: Ich fand, dass ich einen guten Grund hatte, meinem Vetter zu helfen. Außerdem hätte ich mich so oder so schuldig gemacht: entweder als Fluchthelfer im rechtlichen Sinne oder als Nichthelfer im moralischen Sinne. Das wäre für mich die schwerere Schuld gewesen.

 

SPIEGEL: Haben Sie sich, bevor Sie das Buch schrieben, erkundigt, wie lang die Verjährungsfristen für Passfälschung sind?

Fritsch: Selbstverständlich, schließlich bin ich Beamter. Ich habe zwei Juristen um Rat gefragt, um auf Nummer sicher zu gehen. Ich muss keine rechtlichen Folgen fürchten.

 

SPIEGEL: Wie werden Ihre Diplomatenkollegen auf Ihre Enthüllung reagieren?

Fritsch: Hier im Auswärtigen Amt hat es immer schon Menschen mit den unterschiedlichsten Lebenswegen gegeben, bis hoch ins Ministeramt. Da rechne ich mit der amtsüblichen Toleranz und Gelassenheit.

 

Rüdiger von Fritsch: "Die Sache mit Tom. Eine Flucht in Deutschland". WJS Verlag Wolf Jobst Siedler jr., Berlin; 220 Seiten; 19,95 Euro.



Quelle: SPIEGEL 38/2009