Das Ende des Zweiten Weltkrieges

Im Frühjahr 1945 war der Sieg der Alliierten im Krieg gegen Nazi-Deutschland in keiner Weise gefährdet. Offen blieb nur noch die Frage des Datums und wessen Truppen als erste in Berlin einmarschieren würden. Die Stunde der Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde entschied darüber, dass man in den westlichen Staaten das Kriegsende am 8. Mai feiert, während in Russland und vielen Staaten der ehemaligen UdSSR der Sieg über den Faschismus ein Tag später begangen wird.
 

Am 30. April 1945 bestimmte Adolf Hitler Admiral Karl Dönitz zu seinem Nachfolger, ehe er Selbstmord beging. Obwohl diese Ernennung formal nicht rechtskräftig war, fiel es in der Praxis dennoch Dönitz als Reichspräsidenten und Oberbefehlshaber der Wehmacht zu, die Entscheidung über die endgültige Kapitulation zu treffen.

Anfangs dachte Dönitz allerdings nicht an Kapitulation, sondern an einen Waffenstillstand an der Westfront und einen weiteren Kampf gegen die Rote Armee. Es ging darum, Zeit zu gewinnen und Bedingungen zu schaffen, unter denen so viele deutsche Soldaten und Zivilisten wie möglich sich auf von den westlichen Alliierten besetztem Gebiet befänden. Doch die Ereignisse überschlugen sich, am 2. Mai kapitulierte Berlin und drei Tage später die deutschen Streitkräfte in Süddeutschland, Tirol, Westösterreich, Dänemark und den Niederlanden. Auch Dwight Eisenhower wollte von einem Separatfrieden nichts wissen und wies den deutschen Vorschlag zurück.

Im Ergebnis wurde am 7. Mai (um 2.41 nachts) im Hauptquartier der alliierten Streitkräfte (SHAEF) im französischen Reims die Urkunde der bedingungslosen Kapitulation unterzeichnet. Auf deutscher Seite unterzeichnete sie (der von Dönitz dazu bevollmächtigte) Generaloberst Alfred Jodl, außerdem gehörten der deutschen Delegation die Generäle Wilhelm Oxenius und Hans-Georg von Friedeburg an. Im Namen der Alliierten unterzeichnete die Urkunde der amerikanische General Walter Bedell Smith sowie als Zeuge der französische General François Sevez. Die Kapitulationsurkunde trägt auch die Unterschrift des Vertreters der UdSSR, General Iwan Susloparow.

Von den westlichen Alliierten über die geplante Unterzeichnung der Kapitulation in Kenntnis gesetzt, wandte sich Susloparow an Moskau um Instruktionen. Eine Antwort ging jedoch nicht ein, weswegen der sowjetische General sich aus Sorge, die UdSSR würde auf der Kapitulationsurkunde übergangen, entschied, seine Unterschrift unter das Dokument zu setzen. Stalin hatte jedoch ganz andere Pläne, er beorderte Susloparow zurück in die UdSSR, verlangte eine Wiederholung der Kapitulation und bevollmächtigte Marschall Georgij Schukow , sie im Namen der UdSSR zu unterzeichnen.

Da das am 7. Mai unterzeichnete Dokument die Möglichkeit der Ratifizierung einer neuen „Gesamturkunde“ vorsah, stimmten die westlichen Alliierten der Unterzeichnung eines weiteren Dokuments zu. Die Zeremonie war für den 8. Mai geplant, allerdings wurde die Urkunde aufgrund von Bedenken wegen der Teilnahme des Vertreters Frankreichs erst um 22.43 Uhr signiert. Auf deutscher Seite leisteten Wilhelm Keitel, Hans-Georg von Friedeburg und Hans-Jürgen Stumpff ihre Unterschrift, im Namen der Alliierten dagegen unterzeichneten die Urkunde Georgij Schukow (UdSSR) und Arthur Tedder (Großbritannien) sowie als Zeugen Carl Andrew Spaatz (USA) und Jean de Lattre de Tassigny (Frankreich).

Anscheinend unterschätzten die westlichen Alliierten die propagandistische Bedeutung der Eroberung Berlins und der mit der Unterzeichnung der Kapitulation verbundenen Fragen. Stalin, für den eine Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde auf dem Boden Frankreichs inakzeptabel war, verstand das nur zu gut. Die Urkunde sollte in Berlin, das von der Roten Armee erobert worden war, unterzeichnet werden, und der wichtigste Teilnehmer musste ein ranghoher Vertreter der UdSSR sein. Denn der Sieg über den Faschismus sollte ein wichtiger Bestandteil der sowjetischen Politik in den folgenden Jahren werden. Letzten Endes wurde das am 7. Mai unterzeichnete Dokument als „Vorbereitendes Protokoll der Kapitulation des Dritten Reiches“ tituliert und das spätere als das verbindliche angesehen. Zudem war die Unterzeichnung der Urkunde um 22.43 Uhr nach Moskauer Zeit erst am 9. Mai um 00.43 Uhr erfolgt. Infolgedessen kam es zu der kuriosen Situation, dass in den folgenden Jahren in den westlichen Ländern das Kriegsende am 8. Mai gefeiert wurde, in der UdSSR und den von ihr abhängigen Staaten dagegen der Sieg über den Faschismus einen Tag später.

In Polen regelte die Angelegenheit ein Dekret von Bolesław Bierut vom 8. Mai 1945, in dem es heißt, dass „der 9. Mai als Tag der Beendigung der Kriegshandlungen den Nationalfeiertag des Sieges und der Freiheit darstellen wird“. In der Volksrepublik Polen ließ dies Zweifel aufkommen: Auf der Kapitulationsurkunde steht eindeutig das Datum 8. Mai, und zusätzlich ist darin präzisiert, dass die Beendigung der Kriegshandlungen an eben diesem 8. Mai um 23.01 Uhr erfolgen wird. Die polnischen kommunistischen Machthaber versuchten, diese Dissonanz mit dem Argument abzuschwächen, dass der 9. Mai gefeiert werden solle, weil dies der erste Tag der Freiheit nach Beendigung der Kriegshandlungen sei.

Man sollte jedoch nicht vergessen, dass die Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde nicht automatisch das Ende der Kriegshandlungen bedeutete. In Europa kapitulierten die letzten deutschen Einheiten erst am 15. Mai (in Jugoslawien), und endgültig wurde der Zweite Weltkrieg erst durch die Kapitulation Japans am 2. September 1945 beendet.

 

Piotr Długołęcki, Historiker des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten

 

Mehr über Polen und seine Bürger im Zweiten Weltkrieg ist auf einem neuen Internetportal nachzulesen, das das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten in Zusammenarbeit mit dem Haus der Begegnung mit der Geschichte (DSH) gestaltet hat: http://ww2.pl

 

Photo: Amerikanische Militärpolizisten lesen von der Kapitulation Deutschlands in der Zeitung, Mai 1945 / US Army personnel/US Army Military History Institute/Wikimedia

 

Quelle