227. Jahrestag der Verabschiedung der Verfassung vom 3. Mai 1791

Die Verfassung vom 3. Mai 1791 war höchstwahrscheinlich das weltweit zweite verschriftlichte Grundgesetz. Als ihre Schöpfer gelten König Stanisław II. August, Großmarschall von Litauen Ignacy Potocki sowie Pfarrer Hugo Kołłątaj, Geistlicher und Philosoph.

 

 

Inspiriert wurde die Verfassung vom politischen und sozialen Gedankengut der europäischen Aufklärung und von der US-amerikanischen Verfassung aus dem Jahr 1787. Die Verfasser des polnischen Grundgesetzes vertraten den Standpunkt, dass die Regierung dem Wohl der ganzen Nation dienen solle, nicht den Interessen einiger weniger. Den Rechtsakt bildeten elf Artikel. Im Artikel 1 wird die römisch-katholische Religion als vorherrschend bezeichnet, wobei Anhängern anderer Religionen gleichzeitig die Freiheit des Glaubens und seiner Ausübung zugesichert wurde. Der Artikel 5 legt die Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative fest. Der aus zwei Kammern bestehende Sejm stellt die Legislative dar; die ausführende Gewalt liegt in den Händen des Königs und der „Wächter des Rechts“; die Rechtsprechung obliegt unabhängigen Richtern.

 

Aufgehoben wird das Liberum veto, welches möglich gemacht hat, dass durch einen einzigen Einspruch ein Beschluss verhindert werden konnte, ähnlich wie einige andere früher geltende Bestandteile des polnischen parlamentarischen Systems; von nun an sollten alle Entscheidungen mehrheitlich gefällt werden. Der König ist nicht der Gesetzgeber – er steht den „Wächtern des Rechts“ vor, zu denen der Primas, zwei Sekretäre, der volljährige Thronnachfolger, der Sejmmarschall und fünf vom König bestimmte Minister zählen: Schatzminister, Heeresminister, Polizeiminister, Außenminister und Siegelminister. Die Minister sind dem König Rechenschaft schuldig, absetzen kann sie aber nur der Sejm. Damit königliche Entscheidungen gültiges Recht werden können, müssen sie durch zuständige Minister unterzeichnet werden, die wiederum dem Sejm Rede und Antwort stehen. Alle 25 Jahre soll der Sejm zu einer Verfassungssitzung zusammenkommen, um das Grundgesetz durchzusehen und etwaige Änderungen einzuführen. Außerdem wird eine Nationalarmee gebildet und die Bauern dem Schutz durch die Regierung unterstellt.

 

Der in die Arbeiten an der Verfassung involvierte Julian Ursyn Niewcewicz erinnerte sich an den besonderen Tag ihrer Verabschiedung folgendermaßen: „Wie selten gibt es in der Geschichte von Nationen Tage, an denen Tausende und Abertausende Menschen, die Hauptstadt, was sage ich: die gesamte Nation den Wallungen höchster freudiger Gefühle nachgäben! Ein solcher Tag war der 3. Mai; jeder sah nun Sturmeswolken, von denen wir lange hin und her geschleudert wurden, ein für alle Mal schwinden, jeder erblickte am heiteren Himmel die aufsteigende Morgenröte unseres künftigen Wohlergehens“. Die Verfassung vom 3. Mai 1791 spiegelte den polnischen Geist wider, der die polnische Nation die 123 Jahre währende Teilungszeit und danach die langen Jahre der kommunistischen Unterdrückung überdauern ließ. Trotz aller Kontroversen, die Historiker und Publizisten bis heute entzweien, wurde der 3. Mai bis 1940 als Nationalfeiertag begangen. Von da an bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges sowie in der Volksrepublik Polen (PRL) durfte er nicht gefeiert werden, sein jeweiliger Jahrestag gab jedoch stets Anlass zu antikommunistischen Massendemonstrationen. Meinungsumfragen zeigen, dass die Verfassung vom 3. Mai 1791 von Polinnen und Polen auch heute als eines der umwälzenden historischen Ereignisse in der Geschichte unseres Landes wahrgenommen wird.

Pressesprecherbüro des Außenministeriums

 

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